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Professur für Wirtschaftsjournalismus und Wirtschaftskommunikation

Studienreihe zum Medienvertrauen

Die Professur für Wirtschaftsjournalismus und Wirtschaftskommunikation untersucht jährlich das Vertrauen in die Medien.

Das sinkende Medienvertrauen wurde in Deutschland zuletzt vielfach thematisiert. Das Wort „Lügenpresse“ machte zahlreiche Schlagzeilen und wurde sogar zum Unwort des Jahres 2014 erklärt. Dies nahm die Professur für Wirtschaftsjournalismus und Wirtschaftskommunikation zum Anlass, regelmäßig das Vertrauen der Menschen in die Medien zu untersuchen und zu vergleichen.

Datengrundlage:

Grundlage sind Daten des Eurobarometers, das von der Europäischen Kommission in regelmäßigen Abständen Auftrag gegeben wird. Es handelt sich hierbei um eine Bevölkerungsbefragung, die von Umfrageinstituten in den Mitgliedsländern der EU erhoben wird.

Für jede halbjährliche Umfrage werden pro Mitgliedstaat etwa 1000 EU-Bürger im Alter ab 15 Jahren befragt, in Deutschland 2000 bzw. 1500 (getrennt nach alten und neuen Bundesländern).

In Deutschland werden die Daten seit 2004 von TNS Infratest erhoben. Daten des Eurobarometers bieten die Möglichkeit, das Medienvertrauen zu vergleichen zwischen Regionen, Alterskohorten, europäischen Ländern und einer Reihe weiterer soziostruktureller Merkmale.

Der Zugang zu den Daten erfolgt über das Leibnitz Institut für Sozialwissenschaften (GESIS).

Ergebnisse der Auswertung:

2017 - Vertrauen in die Medien so hoch wie seit 15 Jahren nicht mehr

 

Das Vertrauen der Deutschen in die Medien ist im Jahr 2016 stark angestiegen. Dies zeigen Umfragedaten im Eurobarometer der Europäischen Kommission vom November 2016. Nachdem im vergangenen Jahr vielfach über ein sinkendes Vertrauen der Deutschen in die Medien berichtet wurde, zeigen die Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage für das Eurobarometer in eine andere Richtung. Das Medienvertrauen erreichte 2016 einen Höchststand.

 

 

Im Jahr 2016 vertrauten 55,7 Prozent der Deutschen der Presse, nur 38,8 Prozent misstrauen ihr. Dies geht aus den jüngsten Daten der jährlich stattfindenden repräsentativen Umfrage der Europäischen Kommission für das Eurobarometer hervor. Damit erreicht die deutsche Presse ihren bislang höchsten Wert, seit das Eurobarometer seit dem Jahr 2000 danach fragt. Gegenüber dem Vorjahr konnte die Presse das in sie gesetzte Vertrauen um zehn Prozent steigern.

 

Auch dem Fernsehen vertrauen die Menschen in Deutschland wieder stärker als im Vorjahr. 60,5 Prozent der Deutschen geben an, dem Fernsehen zu vertrauen. Das ist eine Steigerung um fast sechs Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr und der höchste Wert seit 2001 im Eurobarometer.

Das höchste Medienvertrauen in Deutschland genießt auch im Jahr 2016 das Radio. 67,8 Prozent der Menschen in Deutschland vertrauen dem Radio. Gegenüber dem Vorjahr steigerte sich das Vertrauen um mehr als sieben Prozentpunkte.

Der Rückgang des Medienvertrauens im Jahr 2015 wurde auf spezifische Bevölkerungsgruppen zurückgeführt, die anhand soziodemografischer Merkmale identifiziert werden konnten (vgl. Otto/Köhler 2016). Diese waren u.a. das Alter der Befragten, ihre regionale Herkunft und ihre politische Einstellung. Vor allem bei jüngeren Befragten, bei Befragten aus Ostdeutschland und bei Befragten, die sich eher dem rechten politischen Spektrum zuordnen ließen, wuchs im Jahr 2015 das Misstrauen gegenüber den Medien. Im Folgenden soll untersucht werden, inwieweit diese Gruppen auch als relevant für den Anstieg des Medienvertrauens im Jahr 2016 angesehen werden können.

 

Medienvertrauen wächst in allen Altersgruppen

 

 

Das Medienvertrauen wuchs im Jahr 2016 gegenüber dem Vorjahr in fast allen Altersgruppen an. Am stärksten bei den älteren Menschen über 75 Jahre. Hier steigerte sich das Vertrauen in die Presse um 20 Prozentpunkte auf 66 Prozent. Auch in das Fernsehen wuchs das Vertrauen um zwölf Prozent auf 72 Prozent, ins Radio um 16 Prozent auf 77 Prozent in dieser Gruppe. Auch in der Gruppe der 55- bis 64-Jährigen konnte die Presse wieder stärker Vertrauen gewinnen, 60 Prozent der Menschen in diesem Alter vertrauen der Presse. Das sind 15 Prozent mehr als im Vorjahr.

Das geringste Vertrauen in die Presse und den Rundfunk in Deutschland gibt es in der Gruppe der 25- bis 34-Jährigen und der 35- bis 44-Jährigen. Allerdings ist auch in dieser Gruppe ein Zuwachs erkennbar: bei der Presse um zehn Prozent auf 50 Prozent, bei den 25- bis 34-Jährigen, um drei Prozent bei den 35- bis 44-Jährigen. Fernsehen und Radio haben bei den 35- bis 44-Jährigen leicht an Vertrauen eingebüßt ‒ zwei bzw. einen Prozentpunkt.

Noch im Vorjahr schien es so, als würden sich insbesondere junge Menschen von den Massenmedien abwenden: Fernsehen, Presse und Radio verloren 2015 stark an Vertrauen bei den 15- bis 24-Jährigen und bei den 25- bis 34-Jährigen. Dieser Trend scheint sich nun zumindest leicht umzukehren. In der Gruppe der 15- bis 24-Jährigen gewann die Presse Vertrauen zurück, 59 Prozent der Befragten vertrauen 2016 der Presse, sieben Prozent mehr als im Vorjahr.

Die Abwendung von klassischen Formen der Massenmedien wird bei jüngeren Menschen schon länger beobachtet. Sie nutzen das Internet im Tagesdurchschnitt länger als alle anderen Mediengattungen, sogar 20-mal so lang wie Tageszeitungen, wie die ARD/ZDF-Langzeitstudie Massenkommunikation 2015 zeigte (Engel/Breunig 2015: 312). Umso überraschender ist in dieser Gruppe das gestiegene Vertrauen gegenüber der Presse im Jahr 2016. Die JIM-Studie 2014 zeigte, dass bei Jugendlichen zwischen 16 und 19 Jahren die Tageszeitung unter allen Medien die höchste Glaubwürdigkeit hat (MPFS 2014: 14f.). Zunehmende Unsicherheit, bspw. in Bezug auf die Verifikation von Informationen im Jahr 2016, kann eine Ursache dafür sein, dass auch junge Menschen den Medien wieder stärker vertrauen, die sie für glaubwürdig halten.

 

Geringeres Medienvertrauen in den neuen Bundesländern

Die Menschen in Ostdeutschland hatte im Jahr 2015 nur zu einem bedenklich geringen Anteil Vertrauen in die Medien und damit auch in das Mediensystem. 2016 wuchs das Medienvertrauen in West- und Ostdeutschland. In Westdeutschland vertrauen 2016 59 Prozent der Menschen der Presse, zehn Prozent mehr als in 2015. In Ostdeutschland vertrauen 2016 42 Prozent der Menschen der Presse, immerhin neun Prozentpunkte mehr als im Vorjahr. Fernsehen und Radio erreichen mit zehn bzw. neun Prozent in Ostdeutschland sogar stärkere Zuwachsraten beim Medienvertrauen als in Westdeutschland, wo die Zuwachsraten nur fünf bzw. sieben Prozent betragen. Wobei der Anteil der Menschen, die den Medien vertrauen, in Westdeutschland in allen drei untersuchten Gattungen höher ist als in Ostdeutschland.

Eine Ursache für das geringere Medienvertrauen in Ostdeutschland wird in der wirtschaftlichen Situation gesehen. Menschen, denen es wirtschaftlich bessergeht, vertrauen auch stärker demokratischen Institutionen (vgl. Alesina/Wacziarg 2000). Dies wiederum wirkt sich auch auf das Medienvertrauen aus, wie Ländervergleichsstudien zeigten (Tsfati/Ariely 2013; Köhler/Otto 2016). Die Daten aus 2016 bestätigen dies: Menschen die zufrieden mit der Demokratie in Deutschland sind, vertrauen zu 66 Prozent der Presse. Menschen, die unzufrieden mit der Demokratie sind, vertrauen der Presse nur mit einem Anteil von 33 Prozent. Wird von den Befragten die wirtschaftliche Lage im Land als gut eingeschätzt, vertrauen 61 Prozent der Presse, wird sie hingegen als schlecht eingeschätzt, vertrauen nur 17 Prozent der Presse. Die Beurteilung der wirtschaftlichen Lage unterscheidet sich zwischen alten und neuen Bundesländern. 2016 beurteilen 87 Prozent der Deutschen die wirtschaftliche Lage als gut. In den neuen Bundesländern ist der Anteil etwas geringer mit 83 Prozent, in den alten Bundesländern sind es 88 Prozent. Die Eischätzung der wirtschaftlichen Lage kann jedoch nicht den Anstieg des Medienvertrauens 2016 erklären, denn sie hat sich zwischen 2015 und 2016 nur marginal um einen Prozentpunkt verbessert.

 

Vertrauenszuwachs im rechten Spektrum

Das Medienvertrauen hat besonders bei Menschen an den Rändern des politischen Spektrums in Deutschland zugenommen. Menschen, die sich selbst als links im politischen Spektrum eingeordnet haben, vertrauen der Presse am stärksten: Der Wert wuchs um 13 Prozentpunkte auf 64 Prozent. Noch stärker war der Zuwachs im rechten Spektrum: 51 Prozent der Menschen, die sich auf der rechten Seite des politischen Spektrums sehen, vertrauen der Presse. Das sind 18 Prozentpunkte mehr als noch im Vorjahr. Auch Fernsehen und Radio konnten im rechten Teil des politischen Spektrums in hohem Maße Vertrauen zurückgewinnen. Das Vertrauen ins Fernsehen wuchs um zwölf Prozent auf 56 Prozent, ins Radio um 13 Prozent auf 62 Prozent bei Menschen im rechten Spektrum. Der Vertrauenszuwachs bei Menschen, die sich als links bezeichnen, ist bei Fernsehen und Radio geringer. Das Vertrauen ins Fernsehen ist in der Mitte am stärksten.

Die starken Zuwächse im rechten Teil des politischen Spektrums deuten darauf hin, dass viele Menschen die medienkritischen Positionen der rechtspopulistischen Parteien und Bewegungen nicht mehr so stark teilen wie im Vorjahr. Seit im Jahr 2014 das Wort „Lügenpresse“ zahlreiche Schlagzeilen machte und sogar zum Unwort des Jahres 2014 erklärt wurde, gab es in Deutschland teilweise heftige Diskussionen über ein möglicherweise gestörtes Verhältnis der Bürger zu den Massenmedien. Vor allem auf den Demonstrationen der Pegida- und AfD-Anhänger wurde der Begriff oft in Sprechchören skandiert und schallte von dort aus über die Fernsehbildschirme in die ganze Republik. Deren Präsenz hat zuletzt abgenommen, ihre medienkritischen Positionen werden daher weniger stark wahrgenommen.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass das Medienvertrauen 2016 einen Höchststand erreicht. Die Medien haben in vielen spezifischen Gruppen an Vertrauen zurückgewonnen, insbesondere bei jüngeren Menschen, bei Befragten aus den neuen Bundesländern und bei Befragten links und rechts der Mitte des politischen Spektrums. Offenbar gelang es den Medien zuletzt immer besser, dem von rechtspopulistischen Parteien und Bewegungen vertretenen Eindruck entgegen zu treten, ihre Berichterstattung sei politisch gefärbt und von oben gesteuert. Der öffentliche Diskurs über die Arbeit und Bedeutung der Medien hat wohl dazu beigetragen, deren Relevanz und das in sie gesetzte Vertrauen zu steigern.

 

Professor Dr. Kim Otto und Andreas Köhler von der Universität Würzburg analysieren regelmäßig anhand von Sekundärdaten des Eurobarometers das Medienvertrauen in Deutschland und Europa. Es handelt sich hierbei um eine Bevölkerungsbefragung, die von Umfrageinstituten in den Mitgliedsländern der EU im Auftrag der Europäischen Kommission halbjährlich erhoben wird. Für jede Umfrage werden pro Mitgliedstaat etwa 1000 EU-Bürger im Alter ab 15 Jahren mittels computergestützten persönlich-mündlichen Interviews befragt. In Deutschland waren es 2015 1548 Befragte, im Jahr 2016 1531 Befragte. Die Daten in Deutschland werden seit 2004 von TNS Infratest erhoben. Der Befragungszeitraum der hier dargestellten Ergebnisse war jeweils in der ersten Novemberhälfte.

 

 

Literatur:

Alesina, A., & Wacziarg, R. (2000). The economics of civic trust. In S. Pharr & R. Putnam (Eds.), Disaffected democracies: What’s troubling the trilateral countries (pp. 149-170). Princeton, NJ: Princeton University Press.

Engel, B. & Breunig, C. (2015). Massenkommunikation 2015: Mediennutzung im Intermediavergleich. In Media Perspektiven 7-8/2015. 310-322. http://www.ard-werbung.de/fileadmin/user_upload/media-perspektiven/pdf/2015/07082015_Engel_Breunig.pdf

Köhler, A. & Otto, K. (2016): The Impact of the European Debt Crisis on Trust in Journalism, Presentation on ECREA Conference Prague, 11.11.2016.

MFPS (Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest) (2014). JIM Studie. In https://www.mpfs.de/fileadmin/files/Studien/JIM/2014/JIM_Studie_2014.pdf

Otto, K. & Köhler, A. (2016): Wer misstraut den Medien?, in: European Journalism Observatory, http://de.ejo-online.eu/qualitaet-ethik/wer-misstraut-den-medien

Tsfati, Y. & Ariely, G. (2013). Individual and Contextual Correlates of Trust in Media Across 44 Countries, Communication Research 20(10) 1–23

 

Datenquellen:

http://ec.europa.eu/COMMFrontOffice/publicopinion/index.cfm/Chart/index

http://data.europa.eu/euodp/en/data/dataset/S2098_84_3_STD84_ENG

http://data.europa.eu/euodp/en/data/dataset/S2137_86_2_STD86_ENG

 

2016 - Einfluss der europäischen Staatsschuldenkrise auf das Medienvertrauen

Die vergleichende Analyse der Medienvertrauens-Werte des Eurobarometers in europäischen Staaten zwischen 2001 und 2015 zeigt, dass das Medienvertrauen eng mit dem Vertrauen in demokratische Institutionen zusammenhängt. Einen Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Entwicklung gibt es jedoch nur in einigen Staaten. Es sind die europäischen Krisenstaaten, insbesondere Griechenland und Spanien: Hier ist der Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Entwicklung und Medienvertrauen sehr stark, insbesondere nach Beginn der Staatsschuldenkrise 2009. So zeigt sich in diesen Staaten ein signifikanter Unterschied zwischen dem Medienvertrauen vor und nach Ausbruch der Europäischen Schuldenkrise 2009. Das Medienvertrauen ist seit Ausbruch der Schuldenkrise signifikant zurückgegangen.

Zu diesen Ergebnissen kommt eine Analyse, die wir zur Konferenz der European Communication Research Association (ECREA) am 11. November 2016 in Prag vorgestellt haben:

Köhler, A./Otto, K. (2016): The Impact of the European Debt Crisis on Trust in Journalism, Presentation on ECREA Conference Prague, 11.11.2016.

2016 - Junge Menschen misstrauen den Medien zunehmend

Der Anteil der Menschen, die der Presse misstrauen, ist im Jahr 2015 auf 49 Prozent angestiegen. Das sind vier Prozent mehr als im Vorjahr. Die Aussage, dass „die Deutschen“ den Medien zunehmend stärker misstrauen, ist jedoch sehr unspezifisch und verallgemeinert. Das gesunkene Medienvertrauen 2015 lässt sich stattdessen spezifischer auf einzelne Bevölkerungsgruppen zurückführen. Die Ursachen für den Anstieg des Misstrauens in die Presse werden in Alter, und in der Wahrnehmung der wirtschaftlichen Situation der Befragten gesucht. Hierfür wurde auf Daten des Eurobarometers zurückgegriffen.

Betrachtet man zunächst das Medienvertrauen im Hinblick auf das Alter der Befragten, zeigt sich, dass vor allem jüngere Befragte der Presse besonders häufig misstrauen. Waren es im Jahr 2014 noch vor allem ältere Menschen im Alter zwischen 55 und 64 Jahren, die der Presse am häufigsten ihr Misstrauen aussprachen, so sind es 2015 jüngere Befragte im Alter zwischen 25 und 34 Jahren. Keine andere Altersgruppe misstraut der Presse so stark. Der Anteil unter ihnen, der der Presse misstraut, stieg binnen eines Jahres von 47,1 Prozent im Jahr 2014 auf 62,4 Prozent im Jahr 2015. Das ist ein Anstieg um 15,3 Prozentpunkte und der größte Anstieg im Vergleich zwischen allen Altersgruppen. Auch bei den 15 bis 24-jährigen stieg das Misstrauen um 7,6 Prozentpunkte. Bei den älteren Befragten gab es ebenfalls einen Anstieg, er ist jedoch teilweise erheblich geringer. Offensichtlich sind es also vor allem jüngere Menschen, die der Presse zunehmend weniger vertrauen.

Diese Entwicklung ist auch gegenüber dem Rundfunk erkennbar: Bei den 25 bis 34-Jährigen ist eine sehr starke Zunahme des Misstrauens gegenüber Radio und Fernsehen erkennbar. Sie sind 2015 die Altersgruppe, die Radio und Fernsehen am stärksten misstraut. 54,3 Prozent der 25-34-Jährigen misstrauen dem Fernsehen, 49,1 Prozent dem Radio. Die Zunahme des Misstrauens ist in dieser Altersgruppe am stärksten: mit 17,7 Prozent bei Radio und 14,9 Prozent beim Fernsehen.

Medienvertrauen hängt mit dem grundsätzlichen Vertrauen in demokratische Institutionen zusammen, zeigten bereits Ländervergleichs-Studien (vgl. u.a. Tsfati/Ariely 2013). Zentrale Institutionen in der parlamentarischen Demokratie sind die Parteien. Ihnen wird in Deutschland zunehmend stark misstraut. 2015 gaben 71,4 Prozent der Befragten an, den Parteien zu misstrauen. Das sind 0,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Bei jenen Befragten, die den Parteien vertrauen, ist das Misstrauen in die Presse auf einem geringen Niveau und im Jahr 2015 sogar noch einmal gesunken ‒ von 21,2 Prozent im Jahr 2014 um 1,3 Prozentpunkte auf 19,9 Prozent im Jahr 2015. Misstrauen die Befragten jedoch den Parteien, so ist auch das Misstrauen in die Presse groß und im Jahr 2015 stark angewachsen ‒ um acht Prozentpunkte auf 63 Prozent der Befragten. Ähnlich verhält es sich auch gegenüber dem Rundfunk. Bei jenen, die Parteien eher misstrauen, misstrauen auch 46,7 Prozent dem Radio: Ein Anstieg um 11 Prozent. 53,7 Prozent dieser Befragten misstrauen dem Fernsehen: ein Anstieg um 9,3 Prozent. Die Menschen, die also nicht mehr von Parteien erreicht werden und sich von diesen abwenden, wenden sich auch von den Medien ab. Steigt das Misstrauen in die Parteien, steigt es auch gegenüber den Medien. Können hingegen Parteien die Menschen erreichen, profitieren davon auch andere demokratische Institutionen.

Als weitere möglich Erklärung für sinkendes Medienvertrauen wird die wirtschaftliche Situation betrachtet. So wurde in der Forschung bereits gezeigt, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Vertrauen in demokratische Institutionen und der wirtschaftlichen Situation eines Landes gibt (vgl. Zmerli/Newton/Montero 2006). Nur beurteilen die Befragten im Eurobarometer 2015 ihre private finanzielle Situation besser als 2014. Der Anteil der Befragten, die ihre eigene Situation als sehr gut bezeichnen, ist um 4,2 Prozentpunkte auf 14,9 Prozent angestiegen. Und weniger Befragte beurteilen ihre Lage 2015 sehr schlecht ‒ nur 2,5 Prozent (ein Prozent weniger als im Vorjahr) ‒ oder eher schlecht ‒ 15,9 Prozent (0,7 Prozent weniger als im Vorjahr).

Doch trotz der Tatsache, dass es vielen Menschen im Jahr 2015 wirtschaftlich besser geht, ist das Misstrauen in die Medien bei jenen, denen es wirtschaftlich schlechter geht, enorm gestiegen. Befragte, die ihre finanzielle Situation als eher schlecht beurteilen, misstrauen zu 70,3 Prozent der Presse. Bei jenen, die ihre Lage als sehr schlecht beurteilen, sind es sogar 78,9 Prozent. Das sind bei beiden Gruppen 9,3 Prozent mehr als im Vorjahr. Bei jenen, die ihre Lage besser beurteilen, ist das Misstrauen auch gestiegen, allerdings weniger stark und auf einem niedrigeren Niveau. Auch gegenüber dem Rundfunk ist das Misstrauen bei den Befragten besonders hoch, denen es nach eigener Einschätzung wirtschaftlich schlecht geht. Der Anstieg beträgt im Vergleich zum Vorjahr jeweils über zehn Prozent.

Die vertiefte Analyse zeigt: Es sind nicht „die Deutschen“, die den Medien zunehmend misstrauen. Es sind spezifische Gruppen, auf die sinkendes Medienvertrauen zurückgeführt werden kann. Erkennbar ist ein Einfluss der wirtschaftlichen Situation, der politischen Einstellung und des Alters auf das Medienvertrauen.

2016 - Medienvertrauen geht zurück: Kein Grund Alarm zu schlagen

Im Herbst 2015 vertrauen nur 46 Prozent der Befragten der Presse, 49 Prozent misstrauen ihr. Die übrigen fünf Prozent antworten mit „weiß nicht“. Das heißt, dass das Misstrauen überwiegt. 2014 haben nur 45 Prozent der Presse misstraut und 47 Prozent haben ihr vertraut. Das Vertrauen in die Presse ist 2015 im Vergleich zum Vorjahr also tatsächlich zurückgegangen. Betrachtet man das Medienvertrauen über einen längeren Zeitraum von 2000 bis 2015 ist dies jedoch kein Grund, Alarm zu schlagen: Das Misstrauen war von 2000 bis 2003 und von 2006 bis 2008 auch schon größer. Im Jahr 2000 vertrauten nur 30 Prozent der Befragten der Presse. Der Anteil der Befragten, die der Presse trauen, erreichte nur selten einen Wert, der über dem von 2015 liegt, nämlich 2004, 2005, 2009-2012 und 2014. Das heißt, dass nur in sieben von 16 untersuchten Jahren das Vertrauen in die Presse größer war als 2015.

Das Vertrauen in die Presse in Deutschland ist im europäischen Vergleich hoch. Der Anteil der Befragten, die der Presse vertrauen, liegt drei Prozentpunkte über dem EU-Durchschnitt. Beim Fernsehen liegt das Vertrauen in Deutschland sogar sechs Prozentpunkte über dem EU-Durchschnitt, beim Radio sind es fünf Prozent über dem EU-Durchschnitt.

Von einer neuen generellen Vertrauenskrise in die Medien in Deutschland kann angesichts der Langzeitdaten nicht gesprochen werden.

2016 - regionale Unterschiede: Misstrauen in Ostdeutschland größer

Einen wesentlichen regionalen Unterschied kann man in Deutschland beim Vertrauen in die Presse im Vergleich zwischen Ost- und Westdeutschland feststellen. In den ostdeutschen Bundesländern (mit Berlin) vertrauen nur 41,8 Prozent der Befragten der Presse, 58,2 Prozent misstrauen ihr. In den westdeutschen Bundesländern überwiegt das Vertrauen mit 53,3 Prozent und das Misstrauen liegt bei nur 46,7 Prozent. Das starke Misstrauen in die Presse in Ostdeutschland ist alarmierend.

Der Anteil der Befragten, die extreme Positionen im Links-Rechts-Spektrum einnehmen, und der Anteil der Befragten, die ihre eigene wirtschaftliche Situation als schlecht beurteilen, sind in den ostdeutschen Bundesländern bekanntermaßen ebenfalls höher als in den westdeutschen. Die Variablen, von denen ein Einfluss auf das Vertrauen in die Presse ausgeht, hängen zusammen. Das Misstrauen gegenüber der Presse in Ostdeutschland ist Ausdruck von Enttäuschung, die in generellem Misstrauen gegenüber demokratischen Institutionen mündet.

Veröffentlichungen:

 Köhler, A./Otto, K. (2016): The Impact of the European Debt Crisis on Trust in Journalism, Presentation on ECREA Conference Prague, 11.11.2016.

Otto, K./Köhler, A. (2016): Wer misstraut den Medien?, in: European Journalism Observatory, Link

Otto, K./Köhler, A. (2016): Medienvertrauen auf dem Tiefpunkt?, in: European Journalism Observatory, Link

Otto, K./Köhler, A. (2016): Von wegen Lügenpress, in: Meedia, Link