Konkurrenz im Klassenzimmer: Wenn Anreizsysteme den Charakter verändern
07.10.2025Wettbewerb kann motivieren – doch dauerhafter Konkurrenzdruck hat auch Schattenseiten. Die aktuelle Studie The persistent effect of competition on prosociality von Prof. Dr. Fabian Kosse, Inhaber des Lehrstuhls für Data Science in Business and Economics, zeigt: Jugendliche, die über längere Zeit in schulischen Wettbewerben stehen, verlieren an Hilfsbereitschaft und Vertrauen – und das mit langfristigen Folgen für ihre Persönlichkeit.
Unternehmen setzen seit Langem auf wettbewerbsbasierte Anreizsysteme, um Leistung zu steigern. Auch in Schulen gibt es solche Programme, etwa in Chile: Dort garantiert das sogenannte PACE-Programm den besten 15 Prozent einer Jahrgangsstufe einen Studienplatz ohne die sonst vorgeschriebene zentrale Aufnahmeprüfung. Für viele Jugendliche aus benachteiligten Familien bietet das einen entscheidenden Vorteil.
Die Ergebnisse machen jedoch die Kehrseite eines solchen Programms sichtbar, denn zwei Jahre intensiver Wettbewerb senkten in der Studie das prosoziale Verhalten deutlich. Die Jugendlichen zeigten weniger Hilfsbereitschaft und Vertrauen, selbst noch vier Jahre nach Ende des Programms. „Der dauerhafte Wettbewerb verändert also nicht nur das situative Verhalten. Er beeinflusst auch die Persönlichkeitsentwicklung“, betont Fabian Kosse.
Die Untersuchung basiert auf einem groß angelegten Feldexperiment an 128 Schulen mit mehr als 5.000 Schülerinnen und Schülern. Per Zufallsprinzip wurde entschieden, welche Schulen am PACE-Programm teilnahmen. Neben offiziellen Bildungsdaten führten die Forschenden auch eigene Befragungen durch, die Vertrauen, Hilfsbereitschaft und Schulatmosphäre in den Blick nahmen.
Um den negativen Folgen von wettbewerbsorientierten Anreizsystemen entgegenzuwirken schlägt das Forschungsteam in der Publikation folgende Lösungsansätze vor:
- Wettbewerbsregeln anpassen – etwa indem die besten 15 Prozent nicht innerhalb einer einzelnen Schule, sondern regional ermittelt werden.
- Kooperation stärken – ein Wettbewerb zwischen Schulen könnte das Gemeinschaftsgefühl fördern und die Prosozialität steigern.
Die Ergebnisse wurden im Journal of the European Economic Association veröffentlicht und sind Open Access verfügbar.
Mehr Informationen dazu gibt es auch im einBLICK.

