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Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät

Interview mit Frau Dr.-Ing. Kateryna Daschkovska zur Situation in der Ukraine

21.07.2023

Dr.-Ing. Kateryna Daschkovska wohnt bereits seit einigen Jahren mit ihrer Familie in Würzburg und ist dort am Lehrstuhl von Prof. Dr. Ronald Bogaschewsky für BWL und Industriebetriebswirtschaftslehre tätig

Dr.-Ing. Kateryna Daschkovska
Dr.-Ing. Kateryna Daschkovska

Dr.-Ing. Kateryna Daschkovska wohnt bereits seit einigen Jahren mit ihrer Familie in Würzburg und ist dort am Lehrstuhl von Prof. Dr. Ronald Bogaschewsky für BWL und Industriebetriebswirtschaftslehre tätig. Sie kennt sowohl die Lage der Menschen in der Ukraine als auch die der Menschen, die zu uns geflüchtet sind, da sie sich sehr intensiv für diese engagiert.

Dr.-Ing. Kateryna Daschkovska wurde am 30.10.1980 in Odessa, Ukraine geboren. Sie ist 2004 nach Bremen gekommen, da ihr Ehemann eine Postdoc-Stelle an der Universität Bremen hatte. Während ihres Studiums in der Ukraine hatte sie bereits über eine Promotion nachgedacht, daher bewarb sie sich für eine Promotionsstelle am Graduiertenkolleg „International Graduate School for Dynamics in Logistics“ an der Fakultät für Produktionstechnik - Maschinenbau & Verfahrenstechnik der Universität Bremen. Die internationale Atmosphäre des Graduiertenkollegs hat ihr sehr geholfen, sich in Deutschland, einem völlig neuen Land für sie, zurechtzufinden. Die Integration in die deutsche Kultur und das Erlernen der Sprache musste sie eigenständig bewältigen. Glücklicherweise hatte sie Unterstützung von großartigen Kollegen und Kolleginnen an der Universität sowie von deutschen Nachbarn, die im Laufe der Jahre zu ihren Freunden geworden sind. Im Jahr 2016 ist sie mit ihrer Familie nach Würzburg gezogen.

WiWi-Fakultät: Sie waren schon vor Kriegsausbruch in Deutschland. Was war seinerzeit Ihre Motivation, Ihre Heimat zu verlassen und wieso suchten Sie sich Würzburg aus?

Kateryna Daschkovska: Für Ihre beiden Fragen habe ich eine einzige Antwort: Mein Ehemann. 2015 hat mein Ehemann, Sergey Dashkovskiy, eine Professur an der Universität Würzburg erhalten, weshalb wir nach Würzburg umgezogen sind.

WiWi-Fakultät: Wie müssen wir uns den aktuellen Hochschulbetrieb in der Ukraine aus Sicht von Forschung und Lehre vorstellen? Gibt es diesen noch oder hat der Krieg ihn zum Erliegen gebracht?

Kateryna Daschkovska: Im Großen und Ganzen funktioniert der Hochschulbetrieb in der Ukraine, jedoch hat er sich stark verändert. Die Universitäten haben sich auf die ständigen Bombenalarme eingestellt, indem Vorlesungen entweder in den Kellern der Universitätsgebäude oder online stattfinden. Viele Dozenten und sogar ganze Lehrstühle (wie in Donetsk oder Charkiw) haben das Land verlassen und Schutz im Ausland gesucht. Zahlreiche ukrainische Dozenten und Professoren unterrichten online aus dem Ausland, um vielen jungen Menschen in der Ukraine das Studium zu ermöglichen. Auch hier in Deutschland haben sich einige Professoren und Universitäten für ukrainische Studierende engagiert.

An unserer Universität wurde vor einem Jahr im Rahmen des Mathematikstudiums ein Projekt ins Leben gerufen: Ukrainische geflüchtete Studentinnen und Studenten oder Schulabsolventinnen und -absolventen können ein reguläres Bachelor-Studium in Mathematik in ukrainischer Sprache beginnen. Das engagierte Team der mathematischen Fakultät wird im Wintersemester 2023/2024 eine neue Gruppe ukrainischer geflüchteter Studierender im Rahmen des UkrMath-Projekts betreuen

WiWi-Fakultät: Was funktioniert Ihrer Meinung nach in der Ukraine trotz Krieg ganz allgemein besser als in Deutschland?

Kateryna Daschkovska: Hier kann man sicherlich das Internet erwähnen. Sowohl die Universitäten als auch die Schulen in der Ukraine verfügen im Allgemeinen über einen deutlich besseren Internetzugang im Vergleich zu Deutschland. Selbst während des Krieges haben die Menschen in der Ukraine nahezu überall einen 5G-Empfang, einschließlich der Kriegsgebiete.

WiWi-Fakultät: Wir wissen, dass Sie sich sehr für die Menschen in und aus der Ukraine einsetzen. Was genau tun Sie? Kann man Sie bei Ihrem Engagement unterstützen?

Kateryna Daschkovska: Vor einem Jahr habe ich mit meiner Familie viele Menschen aus der Ukraine, darunter auch vollkommen Unbekannte, bei uns zu Hause aufgenommen. Zu Beginn habe ich mich intensiv mit den Formalitäten wie der Anmeldung bei den Behörden, dem Ausfüllen von Formularen, dem Einreichen von Dokumenten und der Suche nach Wohnmöglichkeiten beschäftigt, um Ukrainern und Ukrainerinnen in einem fremden Land zu helfen. Selbstverständlich war die größte Hürde für alle Ukrainerinnen und Ukrainer die deutsche Sprache, weshalb ich viel Zeit für Übersetzungen und Dolmetschen für viele Menschen investiert habe. Das war jedoch nur der Anfang.

Da ich aus eigener Erfahrung wusste, wie wichtig und gleichzeitig schwierig es ist, ohne Sprachkenntnisse in einem fremden Land zu leben und sich zu integrieren, habe ich beschlossen, geflüchteten Grundschulkindern beim Erlernen der deutschen Sprache zu helfen. Aus diesem Grund habe ich drei Monate lang eine Willkommensklasse für ukrainische Kinder an der Grundschule Reichenberg geleitet und unterrichtet. Da es sich meistens um Kinder und Jugendliche handelte, die mit ihren Müttern aus der Ukraine geflohen waren, bestand an den Schulen ein großer Bedarf an deutsch-ukrainisch sprechenden Lehrkräften, um die Schülerinnen und Schüler in das deutsche Schulsystem zu integrieren. Ich konnte die Schule bei ihrer wichtigen und wertvollen Arbeit mit den ukrainischen Kindern unterstützen. Seit fast einem Jahr arbeite ich nun an der Mittelschule Heuchelhof, wo ich Deutsch als Fremdsprache und Mathematik in einer Klasse mit ukrainischen geflüchteten Schülerinnen und Schülern unterrichte. Diese Tätigkeit an der Schule wäre ohne das volle Verständnis und die Unterstützung von Herrn Professor Bogaschewsky und unserem Lehrstuhlteam nicht möglich gewesen.

WiWi-Fakultät: Wie sehen Ihre persönlichen Pläne für die Zukunft aus?

Kateryna Daschkovska: Seit dem Jahr 2004 bin ich an verschiedenen Universitäten in Deutschland tätig. Ich liebe meine Arbeit im universitären Bereich, das Unterrichten von Studierenden und die Forschung finde ich sehr interessant und spannend. Leider sind die Arbeitsverträge an der Universität immer befristet, sodass ich mein berufliches Leben nur für die nächsten 2-3 Jahre planen kann. Ich strebe mehr Stabilität und Sicherheit für mich und meine Familie an. Daher habe ich einen neuen Weg für mich entdeckt: Ich möchte Lehrerin werden. Im September werde ich das Referendariat als Quereinsteigerin an Mittelschulen beginnen.

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