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Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät

Nachgefragt bei Prof. Gust: Deutsche sind KI-Spitzenforscher – aber warum gelingt es uns nicht, die besten Produkte zu bauen?

26.06.2023

Im weltweiten Vergleich liegt China an erster Stelle, wenn es um die Veröffentlichung wissenschaftlicher KI-spezifischer Publikationen geht. Nimmt man die KI-Publikationen aller europäischen Länder zusammen, so belegt Europa Platz 2

Prof. Dr. Gunther Gust
Prof. Dr. Gunther Gust (Bild: Universität Würzburg)

Im weltweiten Vergleich liegt China an erster Stelle, wenn es um die Veröffentlichung wissenschaftlicher KI-spezifischer Publikationen geht. Nimmt man die KI-Publikationen aller europäischen Länder zusammen, so belegt Europa Platz 2, noch vor den USA. Innerhalb Europas veröffentlichen das UK und Deutschland die meisten KI-Publikationen. Deutschland ist also spitze bei wissenschaftlichen Veröffentlichungen zum Thema KI, aber wo bleiben die Produkte, die dann ebenfalls an der Weltspitze sein müssten?

Der KI-Bundesverband hat das Projekt LEAM (Large European AI Models) gestartet, das zu dem Ergebnis kam, dass es an Personal, Infrastruktur und Daten fehlt. Man kommt dadurch an die Grenzen des Machbaren, weil die KI-Infrastruktur fehlt, um große KI-Modelle erfolgreich trainieren zu können und der Aufbau selbiger bis zu 400 Millionen Euro kosten würde. Es gibt hier viele herausragende KI-Unternehmen, wie beispielsweise DeepL, Scoutbee (Sitz in Würzburg) und Celonis, die aber oft relativ klein bleiben, weil sie weniger Finanzierungen bekommen.

Wir haben die Frage: „Deutsche sind KI-Spitzenforscher – aber warum gelingt es uns nicht, die besten Produkte zu bauen?“ unserem Experten Prof. Dr. Gunther Gust vom Lehrstuhl für Prozess- und IT-Integration für KI im Unternehmen gestellt. Lesen Sie hier seine Antwort:

Antwort von Prof. Gust: Es ist sicher wichtig, dass Deutschland und Europa bei der Bereitstellung von geeigneter Infrastruktur zur Entwicklung von KI-Modellen aufholen. Allerdings ist dies nicht die alleinige Ursache dafür, dass das Innovationspotenzial im Bereich KI nicht optimal ausgeschöpft wird. Denn KI-Algorithmen werden immer mehr zur Commodity und können mittlerweile anhand weniger (oder überhaupt keiner) Zeilen Programmiercode trainiert und angewandt werden. Für die meisten Anwendungen, insbesondere außerhalb der Forschung, kommt es zudem nicht auf die letzte Nachkommastelle bei der Vorhersagegüte der KI an (wofür in der Regel rechenaufwändiges Training notwendig ist), sondern auch auf andere Faktoren wie Fairness und Transparenz.

Ich sehe daher eine mindestens ebenso wichtige Maßnahme, den Mangel an gut ausgebildetem Personal an der Schnittstelle zwischen KI-Algorithmik und den Anwendungsbereichen zu beseitigen. Wir müssen mehr Leute ausbilden! Aber nicht nur bei der KI-Algorithmik selbst, sondern auch im Gestalten der Systeme drum herum. Das Training der eigentlichen KI-Verfahren macht in Softwaresystemen nur einen sehr geringen Anteil des Programmiercodes aus. Der Kontext ist essenziell, wenn die KI in die Praxis gelangen soll.

Um bei der Ausbildung an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät einen Beitrag zu leisten, bieten wir derzeit viele neue Veranstaltungen an der Schnittstelle zwischen KI und Wirtschaftswissenschaften an. Ein passendes Beispiel ist die neue Veranstaltung „Enterprise AI“, in der Studierende lernen, KI-basierte Unternehmenssoftware zu gestalten. Dies ist allerdings nur eines der vielen neuen Angebote, die derzeit – auch durch die zahlreichen neuberufenen KI-affinen Kolleginnen und Kollegen – entwickelt werden. Auf höherer Ebene ist hier unbedingt auch der neue Bachelorstudiengang „Digital Business and Data Science“ zu nennen, der sich derzeit in der fortgeschrittenen Planung befindet. Er setzt Schwerpunkte in diesem Themenfeld und versucht dadurch ein neues, attraktives Angebot für zukünftige Studierende zu schaffen. Auch auf Universitätsebene werden hier aktuell durch die Gründung des „Centers for Artificial Intelligence and Data Science“ (CAIDAS) große Bemühungen unternommen, die sich zukünftig in der Lehre und im Anschluss auch im Transfer in die Praxis bemerkbar machen werden.

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